Nebenklage: Wirksamkeit der Anschlusserklärung eines minderjährigen Verletzten

1. Die Anschlusserklärung eines minderjährigen Verletzten nach § 396 StPO ist nur wirksam, wenn der Personensorgeberechtigte ihn bei dieser Prozesserklärung vertritt oder der Erklärung des Minderjährigen zustimmt.

2. Einer Auslegung der Nebenklagevorschriften dahingehend, dass ein minderjähriger Nebenklageberechtigter mit Vollendung des 14. Lebensjahres (prozessual) handlungsfähig ist und ohne Zustimmung seines Personensorgeberechtigten wirksam den Nebenklageanschluss erklären kann, steht entgegen, dass damit ein Wertungswiderspruch zum materiellen Recht entstünde.

KG, Beschluss v. 22.03.2010 – 4 Ws 6/10, 4 Ws 6/10 – 1 AR 48/10

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Gemeinschaftliche Körperverletzung: subjektiven Tatseite

1. Die Feststellungen eines Urteils sind lückenhaft und tragen die Verurteilung eines Angeklagten wegen gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) begangener – und damit (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) gefährlicher – Körperverletzung nicht, wenn ihnen nicht zu entnehmen ist, dass dieser aufgrund gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit Täterwillen einen die Tatbestandsverwirklichung fördernden – nicht nur geringen, sondern wesentlichen – Beitrag geleistet hat und seinen Beitrag dabei als Teil der Tätigkeit des anderen und denjenigen des anderen als Ergänzung seines Tatanteils wollte.

2. Befand sich der Angeklagte (nur) in unmittelbarer Nähe zu dem Täter, als dieser dem Geschädigten einen heftigen Schlag oder Stoß in das Gesicht versetzte, erfordert die Wertung, er habe durch seine Anwesenheit diese Handlung des Täters abgesichert und unterstützt und hierdurch vorsätzlich den Tatbestand der gemeinschaftlichen (gefährlichen) Körperverletzung erfüllt, in subjektiver Hinsicht die Feststellung, dass der Angeklagte damit rechnete, dass der andere Tatbeteiligte mit Gewalt gegen den Geschädigten vorgehen würde, und, als dies geschah, es im Sinne des Angeklagten erfolgte und seine ideelle Unterstützung fand, dass er also bewusst und gewollt mit dem die Körperverletzungshandlung unmittelbar Ausführenden zusammenwirkte.

KG, Beschluss v. 12.03.2013 – (4) 121 Ss 30/13 (49/13)

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Graffiti: Sachbeschädigung durch Crossen?

KG, Beschluss v. 23.11.2012 (4) 161 Ss 249/12 (311/12)

Sachbeschädigung: Erhebliche Veränderung des Erscheinungsbildes durch Graffiti; erforderliche Urteilsfeststellungen zum Ausmaß der Farbauftragung

Leitsatz

1. Eine unerhebliche, von § 303 Abs. 2 StGB nicht erfasste Veränderung liegt vor, wenn sie völlig unauffällig bleibt, was etwa der Fall sein kann, wenn eine neue Farbauftragung sich auf einer infolge bereits vorangegangener Schmierereien bereits großflächig verunstalteten Fläche nicht mehr ausnimmt.

2. Das Urteil muss daher sowohl Feststellungen zur Größe und Gestalt der Farbauftragungen – nicht nur zu deren äußeren Ausmaßen, sondern auch zu der für die rechtliche Bewertung ggf. bedeutsamen Ausgestaltung in der Fläche – als auch zu der dadurch bewirkten optischen Veränderung der betroffenen Fläche enthalten.

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Graffiti: Besprühen von Fahrzeugen des ÖPNV

KG, Beschl. v. 28.04.2014 – (4) 161 Ss 47/14 (72/14)

Leitsatz

Eine Veränderung des Erscheinungsbildes eines Fahrzeugs des öffentlichen Personennahverkehrs durch Graffiti kann dessen öffentliche Nutzungsfunktion im Sinne des § 304 StGB ausnahmsweise auch dann beeinträchtigen, wenn es zwar grundsätzlich noch zur Personenbeförderung und damit seinem den Interessen der Allgemeinheit dienenden Zweck entsprechend eingesetzt werden könnte, weil die (technische) Funktionsfähigkeit und die Sicherheit der Fahrgäste durch die Erscheinungsänderung nicht beeinträchtigt wird, dem Verkehrsunternehmen der weitere Einsatz des Fahrzeuges vor einer Beseitigung der Schmierereien aber nicht zumutbar erscheint und die erforderlichen Reinigungsarbeiten einen über die normalen Reinigungs- und Wartungszeiten hinausgehenden zusätzlichen Ausfall des Fahrzeuges mit sich bringen. In diesen Fällen ist aber jedenfalls eine erhebliche – über die zur Tatbestandserfüllung gehörende „nicht nur unerhebliche“ Veränderung hinausgehende – Veränderung des Erscheinungsbildes des Fahrzeugs erforderlich.

 

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Minder schwerer Fall beim Besitz von BtM in nicht geringer Menge

OLG Naumburg, Beschluss v. 22.06.2015 – 2 Rv 60/15

Gegenstand des Verfahrens war Haschisch von sehr schlechter Qualität mit eine THC-Gehalt von lediglich 1%. Dies muss sich laut des Senats in der Strafzumessung auswirken, zumal Haschisch mit einem derart geingen Wirkstoffgehalt möglicherweise überhaupt keine toxische Wirkung hat und ein wesentlich geringers Suchtpotential  als Haschisch mit wesentlich höherem THC-Anteil hat.

In der Entscheidung wird festgestellt, dass die rein abstrakte Möglichkeit der Weitergabe an Dritte nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf, wenn Anhaltspunkte dazu fehlen.

Wenn BtM zum Eigenverbrauch bestimmt sind, ist die Annahme eines minder schweren Falles im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG beim Hinzukommen weiterer Gesichtspunkte auf beim Besitz eines Mehrfachen, so auch des 11fachen der nicht geringen Menge in Betracht.

Kräutermischungen: nicht geringe Menge von JWH-019

BGH, Urteil v. 5.11.2015 – 4 StR 124/14

Gegenständlich ging es um die Kräutermischungen „VIP“ und „Jamaican Gold Extreme“.

Der 4. Strafsenat hat sich bei der Bestimmung der nicht geringen Menge (ngM) für das synthetische Cannabinoid JWH-019 der Vorgehensweise des 1. Strafsenats  angeschlossen und den Grenzwert der nicht geringen Menge  durch einen Vergleich mit dem Wirkstoff JWH-073 auf dieselbe Menge festgelegt. Mithin liegt der Grenzwert zur nicht geringen Menge JWH-019 bei 6 Gramm Wirkstoffgehalt.

Recht auf Übersetzung der Anklageschrift

BGH, Beschlussv. 10.07.2014 – 3 StR 262/14

gekürzt durch Verfasserin

Der Angeklagte hat nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) MRK das
Recht, innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihm verständlichen Sprache in
allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung
unterrichtet zu werden. Dieses Recht beinhaltet für den der deutschen Sprache
nicht hinreichend mächtigen Beschuldigten grundsätzlich die Übersendung ei-
ner Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache;
dies hat in aller Regel schon vor der Hauptverhandlung zu geschehen.  Die mündliche Übersetzung genügt nur in Ausnahmefällen, namentlich dann, wenn der Verfahrensgegenstand
tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen ist (Meyer-Goßner/Schmitt,
StPO, 57. Aufl., Art. 6 MRK Rn. 18 mwN). Durch Gesetz zur Stärkung der Ver-
fahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren vom 2. Juli 2013 (BGBl. I,
S. 1938) ist zudem zur Umsetzung der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmet-scherleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren § 187 GVG geändert
worden. Die in Art. 3 der Richtlinie enthaltene inhaltliche Konkretisierung des
Anspruches eines der Sprache des Strafverfahrens nicht mächtigen Beschul-
digten auf schriftliche Übersetzung aller für seine Verteidigung und zur Gewähr-
leistung eines fairen Verfahrens wesentlichen Unterlagen findet danach nun-
mehr in § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG dahin ihren Niederschlag, dass in der Regel
die schriftliche Übersetzung von freiheitsentziehenden Anordnungen sowie von
Anklageschriften, Strafbefehlen und nicht rechtskräftigen Urteilen für die Aus-
übung der strafprozessualen Rechte des Beschuldigten erforderlich ist. An die
Stelle der schriftlichen Übersetzung kann nach § 187 Abs. 2 Satz 4 GVG zwar
eine mündliche Übersetzung oder eine mündliche Zusammenfassung treten,
wenn dadurch die strafprozessualen Rechte des Beschuldigten gewahrt wer-
den, was nach § 187 Abs. 2 Satz 5 GVG regelmäßig der Fall sein soll, wenn
der Beschuldigte einen Verteidiger hat (kritisch zu dieser Regelung Eisenberg,
JR 2013, 442, 445). Insoweit hatte der Gesetzgeber indes vor allem die Über-
setzung von Urteilen im Blick; die Verpflichtung zur schriftlichen Urteilsüberset-
zung sollte in der Regel dann nicht greifen, wenn eine effektive Verteidigung
des nicht ausreichend sprachkundigen Angeklagten dadurch ausreichend ge-
währleistet wird, dass der von Gesetzes wegen für die Revisionsbegründung
verantwortliche Rechtsanwalt das schriftliche Urteil kennt (BT-Drucks.
17/12578, S. 12 mwN). Geht es um die Übersetzung der Anklageschrift, ist die
Verfahrenslage aber eine andere, weil durch die Mitteilung der Anklageschrift
gerade die durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) MRK gewährleistete Information des
Beschuldigten über den Tatvorwurf „in allen Einzelheiten“ bewirkt werden soll.
Auch die Erklärungsrechte des § 201 Abs. 1 Satz 1 StPO werden möglicher-
weise beschnitten, wenn der Angeschuldigte über den Anklagevorwurf nicht
umfassend und zeitnah unterrichtet wird.

Darlegungserfordernisse bei fahrlässiger Drogenfahrt

Zum Dauerbrenner Drogenfahrt hat das Kammergericht in einem Beschluss vom 22.07.2014 zum Aktenzeichen 3 Ws (B) 332/14 – 162 Ss 91/14 folgendes festgestellt:

1. Für die Annahme eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 a Abs. 2 StVG, für den die Feststellung eines zeitnahen Konsums von Cannabis nötig  ist, bedarf es einer eingehenden Schilderung der angewandten wissenschaftlichen Methodik unter Mitteilung der hierfür wesentlichen Anknüpfungstatsachen sowie einer Auseinandersetzung mit gegebenenfalls gegen die angewandte Methode vorgebrachten wissenschaftlichen Einwänden, da es sich bei der zeitlichen Rückrechnung in Fällen des Cannabiskonsums bislang um kein anerkanntes standardisiertes Untersuchungsverfahren handelt.

2. Selbst ein nicht als ausgeschlossen erscheinender Konsum von Cannabis etwa 24 Stunden vor der verfahrensgegenständlichen Tat kann aber nicht zweifelsfrei als zeitnah bezeichnet werden.

 

Auf dem Gebiet ist nach wie vor vieles ungeklärt bzw. in Bewegung. Beim Vorwurf von Drogenfahrten lohnt es sich genau zu prüfen und eine Einlassung nicht leichtfertig abzugeben.

 

 

Kräutermischungen – synthetische Cannabinoide – nicht geringe Menge (ngM)

BGH, Urteil vom 14. Januar 2015 – 1 StR 302/13 – LG Landshut

BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4

1. Die nicht geringe Menge der synthetischen Cannabinoide JWH-018 und CP47,497-C8-Homologes beginnt bei zwei Gramm.
2. Die nicht geringe Menge der synthetischen Cannabinoide JWH-073 und CP47,497 beginnt bei sechs Gramm.

 

Der BGH hat sich in der Entscheidung mit der Bestimmung der nicht geringen Menge sythetischer Cannabinoide in sog. „Legal Highs“ oder auch „Neue psychoaktive Substanzen“ (auch  Kräutermischungen, Badesalze, Räuchermischungen genannt) auseinandergesetzt und diese wie oben genannt bestimmt. Der Entscheidung zugrunde lagen im Ausland gekaufte „Kräutermischungen“ (SenCation Vanilla, SenCation Blackberry, Dream, 69, ChillX, die zum Rauchen gedacht waren und durch die enthaltenen synthetischen Cannabinoide eine bewusstseinserweiternde Wirkung haben.

Die Bestimmung der nicht geringen Menge im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) ist ausschlaggebend für die angedrohte Strafhöhe, vgl. § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG.

Die Entscheidung ist auf der Website des BGH veröffentlicht.

Das Urteil können Sie hier lesen: Synthetische Cannabinoide

Jugendstrafverfahren: Verfahrenshindernis bei unterlassener Mitteilung des wesentlichen Ermittlungsergebnisses in der Anklageschrift bei beantragter Verfahrensverbindun

Das Landgericht Cottbus hat sich in seinem Urteil vom 15.07.2013 zum Aktenzeichen 23 Ns 17/12 mit der Erforderlichkeit der Mitteilung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen, § 200 Abs. 2 S. 1 StPO, auseinandergesetzt und festgestellt, dass sich bei fehlender Mitteilung ein Verfahrenshindernis ergeben kann.

Dabei werden sehr instruktiv die Funktion und der notwendige Inhalt der Anklageschrift erörtert.

Aus den Gründen:

Die Anklage vom 28. Dezember 2010 ist, nachdem das Verfahren durch das Jugendschöffengericht übernommen worden war, unwirksam, weil ein fundamentaler Mangel besteht. Es fehlt an den gesetzlichen Voraussetzungen des § 200 Abs. 2 Satz 1 StPO, weil die zwingend vorgeschriebene Wiedergabe des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen fehlt. Das gesondert darzustellende Ermittlungsergebnis ist grundsätzlich auch dann erforderlich, wenn die Sach- und Rechtslage einfach erscheint. Seine zentrale Bedeutung liegt in der Informationsaufgabe der Anklageschrift.

Die Anklage dokumentiert nämlich den Verfolgungs- und Anklagewillen der Staatsanwaltschaft. Ihre wichtigste Aufgabe besteht darin, durch Beschreibung der zur Aburteilung gestellten Tat den Prozessgegenstand des gerichtlichen Verfahrens festzulegen (Umgrenzungsfunktion). Darüber hinaus vermittelt die Anklage den Verfahrensbeteiligten die für die Durchführung der Hauptverhandlung belangvollen Informationen (Informationsfunktion). Während Mängel bei der Konkretisierung der angeklagten Taten wegen der davon ausgehenden Unklarheit über den Prozessgegenstand naturgemäß stets zur Unwirksamkeit der Anklage und eines auf dieser basierenden Eröffnungsbeschlusses führen müssen, können schlichte Informationsdefizite diese Rechtsfolge allein schon deshalb nicht automatisch auslösen, weil sie im weiteren Verlauf des Verfahrens durch vielfältige Hinweise geheilt werden können, vgl. BGHST 40, 44,45 und überdies von unterschiedlicher Relevanz sein können

In dem hier zur Entscheidung anstehenden Fall liegt zwar, wie bereits oben erwähnt, ein Mangel der Anklage im Hinblick auf die Umgrenzungsfunktion nicht vor. Der Mangel im Hinblick auf die Informationsfunktion der Anklage wurde indes nicht durch Hinweise entsprechend § 265 StPO geheilt und betrifft auch keinen nur unwesentlichen Punkt

Im Rahmen der Informationsfunktion soll die Anklage nämlich den Angeschuldigten in gedrängter Form über den Sachstand, die Beweislage und alle anderen für die Entscheidung relevanten, nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens erkennbaren Umstände unterrichten, damit der Angeklagte sich in seiner Verteidigung angemessen und sachgerecht einrichten kann. Zwar müssen die im Anklagesatz enthaltenen Angaben zum Tatgeschehen, sofern sie umfassend vollständig und verständlich sind, nicht wiederholt werden. Indessen müssen die das Tatgeschehen begleitenden Umstände dargestellt werden, sofern sie zum besseren Verständnis der Tatzusammenhänge notwendig sind. Zudem ist besonderer Wert auf die Darlegung und Bewertung der Beweisgründe zu legen, insbesondere dann, wenn die Angeschuldigten, wie hier auch, sich gerade nicht geständig einlassen. Erst durch die Kenntnis der Beweisgründe, die dem Angeschuldigten die Möglichkeit zu einer realistischen Einschätzung der Beweislage und einer präzisen Plausibilitätsprüfung vermittelt, durch welche Umstände die Staatsanwaltschaft seine Überführung erreichen will, wird der Angeschuldigte nämlich in die Lage versetzt, sich sachgerecht zu verteidigen, vgl. OLG Düsseldorf in NStZ–RR 1997, 109 m. w. N. Neben Ausführungen zum Vorliegen gesetzlich benannter Strafschärfungs- oder Strafmilderungsgründe gehört in das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen alles, was nach Meinung der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Festsetzung der Rechtsfolgen in der Anklageschrift erörtert werden soll. Nach RiStBV 110 Abs. 2 Buchstabe g sollen insbesondere alle Umstände angegeben werden, die für die Strafzumessung, die Strafaussetzung zur Bewährung, die Verwarnung mit Strafvorbehalt, das Absehen von Strafe, Nebenstrafen und Nebenfolgen von Bedeutung sein können; ggf. können auch strafzumessungsrelevante frühere Taten aufgeführt werden (vgl. BGH StV 1994, 423; NStZ RR 1997, 130). Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende sind weiterhin Fragen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und Reife, §§ 3, 105 JGG zu erörtern.

2.

Zwar kann nach § 200 Abs. 2 Satz 2 StPO von der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen dann abgesehen werden, wenn die Anklage zum Strafrichter erhoben wird; hier entsprechend anwendbar auf die Anklage vor dem Jugendrichter. Nach der RiStBV 112 Abs. 1 soll hiervon jedoch kein Gebrauch gemacht werden, wenn die Sach- oder Rechtslage Schwierigkeiten bietet. Zwar verzichtet die Praxis in Strafrichter/Jugendrichtersachen weitestgehend auf die Fertigung eines wesentlichen Ermittlungsergebnisses. Dies ist insbesondere in Fällen der Anklage gegen jugendliche Angeschuldigte aber nicht unproblematisch und vor allem im Hinblick auf den Angeklagten …, nicht sachgerecht. Hier hatte die Staatsanwaltschaft nämlich bereits mit ihrer Anklage beantragt, dieses Verfahren mit dem bereits gerichtsanhängigen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

3.

  • Zwar konnte die Staatsanwaltschaft zunächst auf die Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen rein formal nach § 200 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 2 Abs. 2 JGG verzichten. Nachdem aber der Jugendrichter des Amtsgerichts Cottbus diese Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren gegen die Angeklagten eröffnet hatte; mithin auch ein wirksamer Eröffnungsbeschluss vorlag, hätte es aber nach Vorlage an das Jugendschöffengericht gemäß §§ 270 Abs. 1, 209 a Nr. 2 StPO der Mitteilung des wesentlichen Ermittlungsergebnisses bedurft. Bis zur Übernahme des Verfahrens durch das Jugendschöffengericht hätte unter gebotener Berücksichtigung des rechtlichen Gehörs der Angeklagten das wesentliche Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen dargestellt werden müssen, § 200 Abs. 2 Satz 1 StPO, § 2 Abs. 2 JGG. Nur so kann sich nämlich der Angeklagte genügend auf seine Verteidigung gegenüber dem Anklagevorwurf vorbereiten
  • 4.
    Soweit die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 25. Januar 1995 zum Az. 3 StR 448/94, veröffentlicht in NStZ 1995, 297, meint, ein unbehebbares Verfahrenshindernis läge nicht vor, liegt der hier zur Entscheidung anstehende Fall anders; die Entscheidung des BGH kann deshalb nicht präjudizierend sein. Es geht nämlich nicht, wie in dem durch den BGH zu entscheidenden Fall, um eine wie auch immer geartete Unvollständigkeit des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen; vielmehr fehlt in dem zur Entscheidung hier anstehenden Fall die Wiedergabe des wesentlichen Ermittlungsergebnisses völlig.

  • a) Zwar kann ein Sachverhalt derart einfach und klar gelagert sein, dass sich das Erfordernis einer Darstellung der Beweissituation, einer Beweiswürdigung und anschließenden Subsumtion im Einzelfall auf ein Minimum beschränkt, weil unter sachgerechter und zweckmäßiger Berücksichtigung prozessökonomischer Gesichtspunkte keine überspannten und nur an formaljuristischen Belangen orientierten Anforderungen an die auch an praktischen Notwendigkeiten auszurichtende Anklageverfassung gestellt werden sollen. Insbesondere dann, wenn der Angeschuldigte im vollen Umfang geständig ist und daher kein den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gewährleistender Zwang zur Wiedergabe des wesentlichen Ermittlungsergebnisses bestehen kann, reduziert sich die Informationsfunktion der Anklageschrift auf Null. Im vorliegenden Fall liegt eine derartige Konstellation aber nicht vor. Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist die Beweislage gerade nicht eindeutig. So vermochte lediglich der Geschädigte eine mäßig detaillierte Personenbeschreibung der Täter abzugeben. Zwar wurden die Angeklagten nach Lage der Akten vom Geschädigten im Krankenhaus spontan wiedererkannt, indes darf im Rahmen der vorzunehmenden Beweiswürdigung ein möglicher Suggestionseffekt nicht außer Betracht bleiben. Aus welchen Gründen die Staatsanwaltschaft dennoch davon ausgeht, dass die Angeklagten der ihnen vorgeworfenen Taten hinreichend verdächtig sind, ist gerade auch vor dem Hintergrund der sachgerechten Verteidigung mitzuteilen

b) Zwar hätte dieser Mangel des fehlenden Ermittlungsergebnisses noch in den Gründen des Übernahmebeschlusses geheilt werden können. Gerade dies ist hier aber nicht erfolgt.

Weder findet sich darin eine vorläufige Beweiswürdigung, noch ist daraus zu erkennen, aus welchen konkreten Gründen bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit der späteren Verurteilung besteht, welche konkreten Vorbelastungen des Angeklagten … die Verhängung einer Jugendstrafe nicht ausschließen lassen, warum gerade die Verhängung von Erziehungsmittel oder Zuchtmittel bei den Angeklagten nicht als ausreichend erscheint, und aus welchen Gründen nach § 17 Abs. 2 JGG bei beiden Angeklagten die Verhängung einer Jugendstrafe nicht auszuschließen ist.

Volltext der Entscheidung